Mit der Einladung zum Bewerbungsgespräch ist die erste Hürde geschafft. Doch was gilt es im Vorfeld und während des Gesprächs zu beachten? Bewerbungscoachin Kirsten Brennemann verrät im Gespräch mit «Fokus» die wichtigsten Tipps.
Was muss ich über meinen potenziellen Arbeitgeber wissen?
Du solltest auf jeden Fall ein gutes Verständnis davon haben, was das Unternehmen macht – zum Beispiel welche Produkte und Dienstleistungen es anbietet. Wo sind die Standorte des Unternehmens? Wie ist die Unternehmensgrösse? Woher ist dir das Unternehmen vielleicht sogar schon bekannt? Gibt es vielleicht sogar aktuelle, spannende Nachrichten über das Unternehmen? Antworten dazu findest du im Internet und insbesondere auf der Firmenwebsite auf Seiten wie «Karriere» oder «Über uns».
Wie weiss ich, was ich anziehen soll?
Auch die Kleiderfrage gehört zur Vorbereitung. Die angemessene Kleidung richtet sich nach der Branche. Du kannst Kollegen oder Bekannte fragen, auf der Website der Firma nachschauen, wie die Mitarbeitenden gekleidet sind oder vielleicht sogar bei einem grösseren Unternehmen einige Tage vorher während der Mittagszeit vorbeilaufen und auf den Bekleidungsstil achten. Generell solltest du weder overdressed noch underdressed sein, sondern dich im Stil dem Unternehmen und der Branche anpassen und relativ dezent gekleidet und geschminkt sein (ausser du bewirbst dich als Kosmetikerin oder in einem flippigen Modegeschäft).
Auch die Kleiderfrage gehört zur Vorbereitung. Kirsten Brennemann
Mit welchen Fragen muss ich rechnen?
Es geht bei den Fragen darum, dich einerseits als Mensch kennenzulernen und andererseits, herauszufinden, wie dein Arbeitsstil ist und ob du zum Unternehmen und Team passen könntest. Man möchte wissen, wie du an neue Aufgaben herangehst, wie du mit Schwierigkeiten umgehst, wie du dich motivierst und wie du dich im Arbeitsalltag gegenüber deinen Arbeitskollegen und Vorgesetzten in unterschiedlichen Situationen verhältst. Dazu stellt man dir unter anderem Fragen über vergleichbare bisherige Situationen – zum Beispiel dein Verhältnis zu deinen Kollegen, Lehrern und so weiter.
Ausserdem möchte man wissen, wie viel Motivation und Begeisterung du für das Unternehmen und die Tätigkeit mitbringst. Sollte es in deinem Lebenslauf Lücken oder unklare Punkte geben, so wird dir der Personalverantwortliche sehr wahrscheinlich auch dazu Fragen stellen. Die klassischen Fragen kannst du sehr gut im Internet recherchieren (beispielsweise auf berufsberatung.ch) und dich so darauf vorbereiten. Am besten trainierst du das Gespräch vorher mit einem Elternteil, einer anderen Person mit Berufserfahrung oder einem Bewerbungscoach.
Womit könnte mich der Personalverantwortlicher überraschen?
Kritische oder provokative Fragen, über die man im Internet viel findet, sind bei Schulabgängern eher unüblich. Es kann dennoch vorkommen, dass der Personalverantwortlicher eine Frage stellt, auf die du nicht vorbereitet bist. Wichtig ist, dass du nicht in Panik gerätst, sondern dir in Ruhe eine Antwort überlegst. Das kannst du auch sagen: «Die Frage überrascht mich etwas. Ich brauche jetzt einen Moment Zeit.» Das ist völlig in Ordnung.
Wann darf ich im Bewerbungsgespräch lügen?
Generell ist es wichtig, bei der Wahrheit zu bleiben. Lügen oder kleinere Flunkereien sind nur zulässig, wenn es um Fragen zur politischen Einstellung, Religion oder Fragen zu Vorstrafen und sehr persönlichen Themen wie Krankheiten oder Kinderwunsch geht.
Wie gehe ich mit unangenehmen oder gar unzulässigen Fragen richtig um?
Unangenehme Fragen sind Interpretationssache. Es gehört zum Vorstellungsgespräch, dass man auch wissen möchte, wie du mit Konflikten oder Schwierigkeiten mit Kollegen umgehst. Das sind unangenehme Fragen, aber die solltest du – gut vorbereitet – angemessen beantworten. Unzulässige Fragen, wie gerade zuvor erwähnt, kannst du mit einer kleinen Notlüge beantworten («Ich habe aktuell keinen Kinderwunsch») oder eine ausweichende Antwort geben, indem du zum Beispiel sagst: «Darauf möchte ich nicht näher eingehen.»
Worauf muss ich bei der Körperhaltung achten?
Achte bei der Begrüssung auf einen angenehmen Händedruck (nicht zu lasch oder fest), suche Blickkontakt und lächle dein Gegenüber offen an. Achte auf eine gute Körperspannung, so dass du aufrecht stehst oder sitzt. Auch während des Gesprächs solltest du immer wieder auf Blickkontakt achten. Verschränkte Arme oder Hände in den Hosentaschen sind No-Gos. Stattdessen kannst du deine Hände locker (nicht verkrampft) in den Schoss legen oder mit kleinen Gesten deine Aussagen unterstreichen. Es ist völlig normal, dass du etwas nervös bist – dafür haben auch Personalverantwortliche Verständnis.
Wie beantworte ich die Frage nach meinen Stärken und Schwächen gut?
Für die Frage nach den Stärken: Überlege dir vor dem Gespräch zwei bis drei Fähigkeiten oder Erfahrungen, die einen Bezug zu den Anforderungen für die Stelle habe. Ergänze sie durch aussagekräftige kleine Beispiele, wie und wo du diese Fähigkeiten in der Vergangenheit schon nutzen konntest.
Bei der Frage nach den Schwächen geht es darum, zu sehen, ob du selbstreflektiert bist. Wir haben alle Schwächen, das ist völlig menschlich. Langweile den Personalverantwortlichen nicht mit den Standardantworten wie «ungeduldig» oder «zu ehrlich», sondern erwähne eine echte kleine, persönliche Schwäche. Es sollte aber nichts sein, das dich für die Tätigkeit komplett disqualifiziert. Jemand der in der Buchhaltung arbeitet, es aber bei der Arbeit nicht sehr genau nimmt, wäre dort definitiv fehl am Platz. Optimal ist, wenn du sagen kannst, wie du mit deiner Schwäche umgehst, sodass sie kein Problem darstellt.
Jemand der in der Buchhaltung arbeitet, es aber bei der Arbeit nicht sehr genau nimmt, wäre dort definitiv fehl am Platz. Kirsten Brennemann
Wie gehe ich mit Gehaltsfragen um?
Indem du dich vorher darauf vorbereitest. Im Internet gibt es verschiedene Websites mit «Gehaltsrechnern». Dort kannst du nachschauen, welches Salär in etwa angemessen wäre.
(Anmerkung: Auf meiner Website habe ich die wichtigsten Links dazu gesammelt )
Du kannst ausserdem Kollegen oder Bekannte fragen, die in ähnlichen Bereichen arbeiten. Es ist nicht geschickt, eine Bandbreite wie «zwischen 5 000 und 5 500 Schweizer Franken» zu nennen. Warum sollte man dich für den höheren Lohn einstellen, wenn du auch mit weniger zufrieden wärst? Sag also beispielsweise: «Mit meinen Erfahrungen und Ausbildungen halte ich ein Salär für 5 500 Schweizer Franken für angemessen.» Wenn der Arbeitgeber dir aus deiner Sicht ein zu tiefes Angebot macht, kannst du versuchen nachzuverhandeln. Vergleiche dich nicht mit Kollegen, sondern weise auf deine Leistungen, Erfahrungen, Ausbildungen etc. hin und erkläre, warum du meinst, dass du mehr Wert bist. Statt eines höheren Salärs kannst du auch alternative Leistungen wie zum Beispiel ein GA, einen leistungsabhängigen Bonus oder eine Lohnerhöhung nach der Einarbeitungszeit versuchen auszuhandeln.
Welche Fauxpas passieren am häufigsten?
Unvorbereitet sein, Unpünktlichkeit, ein klingelndes Handy, unangemessene Kleidung, Desinteresse, schlechtes Zuhören, zu knappe Antworten oder zu lange Ausschweifungen.
Interview Patrik Biberstein
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