Bildungsoffensive Gebäude: Gemeinsam die Energie- und Klimazukunft anpacken
Um die energie- und klimapolitischen Ziele des Bundes zu erreichen, ist die Gebäudebranche in den kommenden Jahren stark gefordert. Doch es fehlen dazu immer mehr gut ausgebildete Fachkräfte. Ziel der Bildungsoffensive Gebäude ist es, mit vereinten Kräften neue zu gewinnen und bestehende im Beruf zu halten.
Die Schweiz soll bis 2050 klimaneutral sein. Auf die Fachleute wartet also viel Arbeit, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen – denn in der Schweiz sind die Gebäude für rund einen Viertel der CO2-Emissionen verantwortlich.
Um diese abzubauen, müssen pro Jahr rund 32 000 fossile Heizungen durch erneuerbare Heizsysteme ersetzt und über eine Million Gebäude energetisch saniert werden. Nur: Um diese Arbeiten auszuführen, fehlen Tausende von Fachleuten.
Der Bund hat deshalb mit der Gebäudebranche eine Bildungsoffensive lanciert, mit dem Ziel, neue Fachkräfte zu gewinnen – aber auch, um die Abwanderung in andere Branchen zu verhindern.
Mit vereinten Kräften
EnergieSchweiz hat gemeinsam mit Vertreter:innen aus der Gebäude- und Bildungsbranche nach Lösungen gesucht. Dabei wurden die Herausforderungen sowie mögliche zielführende Massnahmen identifiziert und priorisiert.
Aus dieser umfassenden Auslegeordnung wurden in der «Roadmap» Handlungsfelder und Schwerpunkte für die Bildungsoffensive abgeleitet – insgesamt sind es 32 Massnahmen.
Offensive mit 32 Massnahmen
Die Roadmap beinhaltet vier Handlungsfelder. In der formalen Bildung sollen beispielsweise die Ausbildungsinhalte laufend den Bedürfnissen der Wirtschaft angepasst und Lernende durch Ausbildungscoaches unterstützt werden.
Zudem soll das Potenzial von Quereinsteigenden besser genutzt werden. Im Bereich der nicht-formalen Bildung soll ein attraktives Weiterbildungsangebot die Fachkräfte auf die Herausforderungen im Gebäudebereich vorbereiten und die Fachkompetenzen stärken.
Auch soll eine Verbesserung beim Image und Attraktivität der Branche und der Berufe angestrebt werden, zum Beispiel durch moderne Arbeitszeitmodelle und Frauenförderung. Intensiviert werden soll ausserdem die branchenübergreifende Zusammenarbeit.
Wir sind Hauptplayer bei den Umsetzungen zur Erreichung der Klimaziele. Viktor Scharegg, Inhaber der G. Brunner Haustechnik AG in Domat/Ems, ist optimistisch für seine Branche und hofft, dass die ehrgeizigen Ziele auch erreicht werden.
Herr Viktor Scharegg, im Moment besteht ein regelrechter Run auf Wärmepumpen – die grosse Nachfrage kann nicht befriedigt werden, auch wegen fehlender Bauteile. Welche Rolle spielt dabei der Fachkräftemangel?
Ja, das ist tatsächlich eine grosse Herausforderung, derzeit könnten wir das doppelte Auftragsvolumen erledigen – aber für eine Verdoppelung in so kurzer Frist haben wir aktuell leider weder die Zeit noch das Personal. Schweizweit gesehen ist der Fachkräftemangel jedoch nicht allein die Ursache, es fehlt auch zunehmend am Material.
Ursache am Fachkräftemangel generell ist auch die Demografie der Gesellschaft in der Schweiz. Die Jungen werden schlicht und einfach immer weniger und diese Situation wird sich in naher Zukunft nicht ändern. Das ist die grosse Herausforderung.
Es ist nicht einfach, junge Leute für die Heizungs- bzw. generell Gebäudetechnikbranche zu gewinnen, obwohl unsere Berufe attraktiv und spannend sind und mit den entsprechenden Weiterbildungsmöglichkeiten auch grosse Karrierechancen bieten. Aber unsere Branche ist nicht die einzige, es hat überall zu wenig Leute und fehlender Nachwuchs.
Ist das Problem hausgemacht oder liegt es generell an der Akademisierung der Gesellschaft?
Hausgemacht nur teilweise – man hat die Lehrstellen bisher stets besetzen können und ist davon ausgegangen, dass das immer so bleibt. Es ist meiner Meinung nach auch nicht unbedingt die Akademisierung, sondern eher die Einstellung in der Gesellschaft.
Viele Eltern möchten, dass es ihre Kinder mal besser haben sollen als sie, und deshalb nicht in der Werkstatt oder auf dem Bau arbeiten müssen. Da haben die Handwerksberufe einen schweren Stand.
Wie begeistern Sie junge Menschen für den Beruf des Heizungsinstallateurs?
Indem ich ihnen die Chancen und vielfältigen Möglichkeiten unserer Branche aufzeige. Sie ist immer am Puls der technischen Entwicklung, zukunftsorientiert und spielt auch in der Klimafrage eine sehr wichtige Rolle. Zudem sind die Arbeitsplätze sicher.
Und mit der Lehre im Sack gibt es unzählige Weiterbildungsmöglichkeiten – beispielsweise als Techniker:in Energie und Umwelt oder als Energieberater:in. Auf jeden Fall ist es ein Beruf mit einer grossen Zukunft!
Was unternehmen Sie, dass junge Fachleute nicht die Branche wechseln?
Wir stellen fest, dass Fachkräfte in unserer Branche vor allem im Alter ab Mitte dreissig abwandern. Sie sind natürlich gesuchte Leute, beispielsweise bei unseren Lieferanten, sie können dort im Innendienst oder im Verkauf eingesetzt werden.
Es gibt viel zu tun für uns und wir sind an vorderster Front dabei.
Es liegt aber an uns, die Fachleute in unserer Branche zu halten. Mit neuen Arbeitszeitmodellen, die Familie, Freizeit und Beruf vereinbaren lassen. Oder ihnen die Möglichkeit bieten, nicht mehr nur auf der Baustelle zu arbeiten, indem man sie in der Weiterbildung unterstützt – zum Beispiel als Projektleiter. Da bin ich aber für die Zukunft zuversichtlich, denn es bewegt sich seit einiger Zeit etwas in diese Richtung.
Was erwarten Sie dabei von der Bildungsoffensive des Bundes? Kommt diese rechtzeitig oder ist es bereits zu spät?
Jede Initiative hilft, Bekanntheit ist wichtig und vor allem auch, dass die Öffentlichkeit von unseren Schwierigkeiten – aber auch von unseren Jobs mit Zukunft (siehe toplehrstellen.ch) – erfährt. Das trägt auch dazu bei, das Handwerk generell in ein besseres Licht zu stellen – insbesondere die Berufe in unserer Branche rund um das Gebäude. Denn bei uns lassen sich handwerkliches Geschick und Hightech ideal kombinieren.
Ein Blick in die Zukunft: Wie beurteilen Sie die Zukunft Ihrer Branche, auch im Zusammenhang mit der Erreichung der Klimaziele?
Was unsere Branche betrifft, bin ich sehr optimistisch. Wir sind Haupt-Player im Rahmen der Umsetzungen zur Erreichung der Klimaziele. Es gibt viel zu tun für uns und wir sind an vorderster Front dabei. Ich hoffe sehr, dass wir die ambitionierten Ziele auch tatsächlich erreichen.
Wir haben keine unbeschränkten Kapazitäten und zunehmend Herausforderungen bei der Materialbeschaffung. Und auch um den Nachwuchs müssen wir uns verstärkt kümmern, denn wir brauchen in Zukunft noch viel mehr und motivierte junge Leute.
Das wird wegen der sinkenden Geburtenzahlen eine echte Herausforderung. Aber wir Unternehmer sind es gewohnt, Lösungen zu suchen und mit einer grossen Portion Optimismus die angehenden Herausforderungen anzupacken.
«Ich fände es cool, wenn man durch diese Kampagne unsere Branche mehr ins Bewusstsein der Jugend bringen könnte»
Die gesellschaftliche Stellung und das Image des Handwerks müsse generell verbessert werden, meint Christoph Sprecher, Geschäftsführer der greencover ag in Sargans.
Herr Christoph Sprecher, Ihre Firma stellt nachhaltige und effiziente Gebäudehüllen her, die Energie sparen und die Umwelt schonen. Welchen Anteil hat dieser Bereich im Rahmen der Klimaziele des Bundes?
Der Gebäudepark verbraucht rund 45 Prozent des Endenergiebedarfs der Schweiz, das ist rund ein Viertel des inländischen Treibhausgas-Ausstosses.
Ihre Branche hat also ein riesiges Potenzial für die Zukunft – und trotzdem fehlen Ihnen die Fachkräfte. Woran liegt das?
Ein Grund dafür ist sicher die gesellschaftliche Stellung und das Image des Handwerks generell. Das ist ein grundsätzliches Problem für das gesamte Gewerbe und vor allem das Handwerk.
Im Moment beschäftigen wir bei den Führungskräften, wie beispielsweise den Projektleitern, vor allem Quereinsteiger, die in unsere Branche gewechselt haben, weil sie interessant ist und sichere Arbeitsplätze bietet.
Die Herausforderung, junge Menschen für eine Ausbildung zu motivieren, liegt vor allem darin, sie überhaupt zu erreichen. Wir organisieren Tage der offenen Türe, machen Werbung an den Schulen, bei den Lehrerinnen und Lehrern. Aber offen gesagt: Das Interesse ist gleich Null.
Dazu muss man aber auch sagen, dass es in Ihrer Branche im Solarbereich noch keine Berufslehre gibt?
Ja, das ist richtig. Das soll sich aber ändern. Der Branchenverband ist nun daran, eine Berufslehre auf die Beine zu stellen. Wir gehen davon aus, dass wir ab August 2024 die ersten Lehrlinge starten können.
Im Moment werden in diesem Bereich vor allem Quereinsteiger wie Fassadenbauer, Dachdecker und Elektromonteure eingesetzt.
Wie kann man junge Leute dafür begeistern, einen Beruf in Ihrer Branche zu lernen?
Die Branche hat ein riesiges Potenzial und sie ist auf die Zukunft ausgerichtet. Umweltschutz, CO2-Ausstoss, die Klimaziele – das sind alles brandaktuelle Themen. Als Fachkraft kann man mithelfen, diese Probleme zu lösen. Das sind grossartige Chancen. Für die Mitarbeitenden heisst das auch, dass man gute Karrierechancen hat.
Was erwarten Sie von der Bildungsoffensive des Bundes?
Ich fände es cool, wenn man durch diese Kampagne das Image unserer Branche verbessern und sie mehr ins Bewusstsein der Jugend bringen könnte. So, dass sie sagen: Hier kann ich etwas bewegen, an Projekten für die Zukunft und die Umwelt mitarbeiten.
Und auch, dass dank der Vielfältigkeit der Branche und den vielen Weiterbildungsmöglichkeiten eine grosse Karriere möglich ist.
Bildungsoffensive Gebäude – Gemeinsam bilden wir Energie- und Klimazukunft
EnergieSchweiz hat die Bildungsoffensive Gebäude initiiert und zusammen mit der Gebäudebranche und Bildungsinstitutionen entwickelt. Die gemeinsam erarbeitete Roadmap enthält vier Handlungsfelder und 32 Massnahmen, die dem Fachkräfte- und Kompetenzmangel entgegenwirken.
Parallel zu den Aktivitäten in der Deutschschweiz wurde in der Romandie die Roadmap analysiert und gemäss den sprachregionalen Bedürfnissen und Gegebenheiten ergänzt.
Verschiedene Branchenvertreter:innen verpflichteten sich so, gemeinsam Lösungen für den Fachkräftemangel zu finden und umzusetzen.
Auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga unterstrich die Dringlichkeit des Vorhabens und erklärte, dass der Bundesrat hinter den erarbeiteten Massnahmen stehe. EnergieSchweiz und weitere Bundesämter unterstützen die Branche in der Umsetzung der Massnahmen.
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