überarbeiteter Mann am Computer im Dunkeln, Unproduktivität
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Weshalb mehr Arbeit nicht die Produktivität steigert

05.09.2022
von SMA

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Hektik zu einem Statussymbol geworden ist. Stress ist jedoch kein Synonym für Produktivität – ganz im Gegenteil. Eine Balancecoachin und eine Unternehmensstrategin lüften das Geheimnis, wie man produktiver durchs Leben gehen kann.

«Es fühlt sich an, als ob man ständig mit einer Unmenge an Dingen beschäftigt sei. Je fleissiger man ist, desto erfolgreicher scheint man», sagt Balancecoach Stephanie Wauters. «Als Menschen lieben wir solche positiven Bestätigungen, wodurch wir dazu neigen, noch mehr zu tun.» Doch sowohl Unternehmenstrategin Mien Gheysens als auch Stephanie Wauters warnen vor der Kehrseite der «Toxic Productivity»: Burn-out. Ein Problem, das bei vielen um die Ecke lauert.

Frau arbeitet unproduktiv unter Stress

Bild: IStockPhoto/primeimages

«Für mich bedeutet Produktivität, auf eine gesunde Weise die Ziele zu erreichen», ist Wauters überzeugt. «Diese Ziele können weiter reichen als das Arbeitsleben», ergänzt Gheysens. «Sie sind mächtiger, wenn sie für einen selbst wert- und sinnvoll sind. Ich setze mich für einen Umschwung von produktiver Arbeit zu produktivem Leben ein. Dabei fokussiert man sich auf Dinge, die in allen Lebensbelangen Erfüllung ermöglichen, die man geniessen kann und die einen langfristig voranbringen.»

Die Suche nach Balance

Stephanie Wauters unterstützt Menschen dabei, eine gute «Life-Work-Balance» zu erreichen. Sie benutzt den Begriff bewusst verkehrt, weil sie glaubt, dass die Arbeit dem Leben dienen soll – und nicht andersrum. «Die Balance bestimmt in grossem Masse die individuelle Produktivität. Denn diese geht Hand in Hand mit Selbstfürsorge und Planung.» Beide Expertinnen sind der Ansicht, dass man gerade durch das Loslassen produktiver wird. Egal wie widersprüchlich dies klingen mag. «Produktivität bedeutet auch stillstehen, an der eigenen Vision arbeiten, konkrete Ziele stecken und reflektieren», erklärt Wauters. «Es geht nicht darum, mehr zu tun, sondern das Richtige. Das ist für jede:n etwas anderes. Eine vorgefertigte Lösung gibt es nicht.»

Auch die Gesundheit übt einen signifikanten Einfluss auf die Produktivität aus. Schlafmangel, Stress und ein ungesunder Lebensstil fordern früher oder später ihren Tribut. «Wenn die Produktivität unter dem Lebensstil leidet, ist man vielleicht geneigt, noch mehr zu arbeiten, zum Kaffee zu greifen, weniger zu schlafen oder Entspannungsphasen zu übergehen. Das kann schnell in einem Teufelskreis enden», legt Wauters dar. «Darüber hinaus kann man alle Tipps und ‹Productivity Hacks› entsorgen, wenn man die Energie zur Ausführung nicht hat», ergänzt Gheysens.

«Die Ironie am Ganzen ist, dass die Beschäftigung mit genugtuenden Dingen Energie zurückgibt. Häufig läuft es darauf hinaus, den ersten Motivationsschritt zu finden, sodass man den Antrieb generiert, den Rest zu erledigen. Daneben erhöhen auch soziale Interaktionen und Sinnhaftigkeit den Energiepegel.»

Ich setze mich ein für einen Umschwung von produktiver Arbeit zu produktivem Leben. Mien Gheysens

Die Ladung der inneren Batterien aufrechterhalten

«Diese Grundvoraussetzungen sind essenziell, um die inneren Batterien geladen zu halten», meint Wauters. Dies ist nötig, um über Sachverhalte auf einem höheren Niveau nachzudenken, wie beispielsweise Selbstentwicklung und Produktivität. Beide Expertinnen betonen, dass man auch gegenüber sich selbst grosszügig sein sollte.

Wie man die Produktivität erhöhen kann und welches Vorgehen sich am besten dafür eignet, ist sehr persönlich. «Arbeitsgebende stehen bestenfalls mit ihren Mitarbeitenden im Dialog, da ein Nine-to-five-Job mit Standarderwartungen nicht realistisch ist. Es lohnt sich, das Energieniveau des Gegenübers zu berücksichtigen, einfache Absprachen zu treffen, Neues auszutesten und regelmässige Evaluationen durchzuführen. Dasselbe gilt fürs Homeoffice. Durch Persönlichkeitstests und Workshops kann man einander besser kennenlernen und eine individuelle Vorgehensweise entwickeln», erläutert Wauters.

Die Bedeutung von Prioritäten

Beide Expertinnen erachten die Prioritätensetzung als überaus wichtig und raten davon ab, konstant erreichbar sein zu wollen. Unmittelbar auf alle Mails und Mitteilungen zu reagieren, steht konzentrierter Arbeit im Weg. «Gleichwohl ist das eine logische Reaktion», führt Gheysens aus. «Wir streben von Natur aus nach dem Weg des geringsten Widerstands. Unser Hirn ist auf das Überleben ausgerichtet, nicht auf Erfolg. Deshalb sparen wir so viel Energie wie möglich, da wir nicht einschätzen können, wann wir sie benötigen werden. Leider bringt diese Leichtheitslösung nicht die grösste Befriedigung. Wenn man Zufriedenheit sucht, muss man sich pushen, lästige Aufgaben fertigzustellen. So verbucht man Fortschritte in Projekten, die einem wichtig sind.»

Text Ciara Reid

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