Es sind die Expertinnen und Experten der technischen Branchen, die mit ihren Innovationen die wichtigen Themen von heute und morgen adressieren, vom Klimawandel bis hin zur Digitalisierung. Doch leider fehlt es an Fachkräften. «Smart Employer» fragte nach, wie man den MINT-Berufen neues Leben einhauchen kann.
Interview mit Ester Elices
Programmleiterin Nachwuchsförderung SATW (Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften)
Ester Elices, was versteht man genau unter den «MINT-Fächern» und warum sind sie so relevant?
Die Abkürzung MINT steht für die vier Fachbereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. In diesen Bereichen verbirgt sich eine Vielzahl von zukunftsträchtigen Branchen und spannenden Berufen. Viele davon sind noch viel zu wenig bekannt, einige von ihnen existieren auch noch nicht lange.
So waren etwa Cyber-Security-Spezialist:innen vor einigen Jahren noch kaum gefragt – und heute, im Zeitalter der Digitalisierung, erbringen sie essenzielle Dienste.
Auch technische Berufsbilder, die schon länger existieren, werden ebenfalls immer relevanter wie Ingenieur:innen, Techniker:innen oder Umweltwissenschaftler:innen. Diese MINT-Berufe sind für den Wirtschaftsstandort Schweiz von enormer Relevanz, weil die Fachleute dieser Disziplinen einen wesentlichen Beitrag für unsere Zukunft leisten. Dementsprechend wichtig ist die Nachwuchsförderung.
Was uns zum Thema «Fachkräftemangel» führt.
Das stimmt, es besteht in der Tat ein Mangel an jungen Talenten in den MINT-Berufen. Vor allem wird es uns an Ingenieur:innen, Informatikfachleuten sowie Techniker:innen mangeln.
Das bedeutet folgerichtig: Es muss uns gelingen, junge Menschen für die technischen Berufe zu begeistern und gleichzeitig Quereinsteiger:innen den Branchenwechsel zu ermöglichen. Zudem dürfen wir das Problem der «Leaky Pipeline» nicht ausser Acht lassen: Frauen, die einen MINT-Beruf erlernt haben, verlassen diesen mittelfristig wieder.
Auch hier müssen wir schauen, dass sich Frauen in ihrem Karriereweg unterstützt fühlen. Dabei stehen auch wir von der SATW in der Verantwortung. Einer der Aufträge, die uns der Bund erteilt hat, besteht in der Förderung des Technikinteresses und -verständnisses in der Bevölkerung, insbesondere bei Jugendlichen.
Wo sehen Sie das grösste Verbesserungspotenzial?
Noch immer sind vergleichsweise wenige Frauen und Mädchen im technischen Metier tätig. Gemäss Erhebungen von Swissmem liegt der Frauenanteil bei den MINT-Lernenden bei 16 Prozent und auf der Stufe der Fachhochschulen gar nur bei 14 Prozent.
Hier besteht grosser Handlungsbedarf. Dass Berufe immer interdisziplinärer werden, ist eine positive Entwicklung. Um aber junge Mädchen für eine technische Karriere zu begeistern, muss man ihnen mehr Kontext bieten. Die grosse Crux besteht darin, dass die Attraktivität der MINT-Berufe nicht hoch genug ist und sich falsche Vorurteile hartnäckig halten.
Was lässt sich dagegen tun?
Man muss mit der Botschaft, wie zukunftsorientiert und attraktiv der MINT-Bereich ist, das schulische und private Umfeld der Jugendlichen erreichen. Denn die Lehrerschaft, Eltern sowie die Peers haben einen enormen Einfluss auf die Berufswahl junger Menschen.
Auch weitere Stakeholder wie ausserschulische Begleitpersonen, Politiker:innen und Interessenvertreter:innen müssen wir von der Sinnhaftigkeit von MINT überzeugen. Letztlich muss es uns gelingen, einen gesellschaftlichen Diskurs dazu anstossen.
Man würde meinen, in unserer digitalisierten Welt sei das Technikinteresse der Jugendlichen inhärent hoch.
Untersuchungen zeigen, dass dies zumindest anfangs bei allen Kindern durchaus der Fall ist. Mädchen verlieren dieses Interesse aber mit der Zeit aufgrund von sozialer Prägung, die sich unter anderem auf traditionelle Rollenbilder und ihr Umfeld zurückführen lässt.
Das ist schade, da die MINT-Berufe eigentlich perfekt den Werten der jungen Menschen von heute entsprechen: Sie möchten eine nachhaltigere Welt schaffen und einer sinnstiftenden Arbeit nachgehen.
MINT-Berufe bieten ihnen genau das. Deshalb benötigen wir Vorbilder – sowohl Männer als auch Frauen – die das Potenzial von MINT auf positive Art sichtbar machen, die verschiedensten Berufsfacetten aufzeigen und gleichzeitig Vorurteile abbauen.
Ein passendes Stichwort dafür ist das SwissTec Ladies Mentoring Programm.
Genau, bei diesem neunmonatigen Programm erleben rund 115 Mädchen aus der ganzen Schweiz spannende, technische Berufe hautnah. Sie erhalten dabei Einsicht in Hochschulen sowie Unternehmen und auch Forschungsinstitutionen öffnen ihre Türen.
Die Teilnehmerinnen dürfen selbst Hand anlegen, programmieren, löten usw. Dabei treffen sie auch andere Mädchen und sind in einer Gruppe unterwegs. Die Teilnehmerinnen werden von einer Fachfrau aus einem technischen Bereich begleitet, die ihnen über die neun Monate hinweg als Mentorin mit Rat und Tat zur Seite steht.
Durch diese persönlichen Begegnungen erlangen die Mädchen einen neuen Blickwinkel auf verschiedenste Bereiche. Durch den regelmässigen Austausch erleben sie, wie Fachfrauen Leben und Job managen und bauen so persönliche Vorurteile ab. Im September führen wir das Programm zum dritten Mal durch, erstmals auch im Tessin. Die Feedbacks der Teilnehmerinnen und Eltern sind durchwegs positiv.
Welche weiteren Initiativen werden in diesem Bereich noch ergriffen?
Seit 2007 führen wir jährlich bis zu zwölf «TecDays» durch. Zu diesem Zweck gehen wir mit 40 bis 80 Expertinnen und Experten in die Schulen und bieten Module zu technischen Themen an. Bisher haben wir auf diese Weise über 70 000 Schüler:innen erreicht, auch hierzu fallen die Feedbacks hervorragend aus. Zudem zeigt sich, dass der TecDay die Wahl der Maturandinnen für ein technisches Studium positiv beeinflusst.
Nebst diesen Bemühungen ist es uns ein Anliegen, bestehende MINT-Aktivitäten besser zu vernetzen und auch sichtbar zu machen. So erreichen wir, dass mehr Jugendliche – sowie wichtige Stakeholder – darauf aufmerksam werden und auch, dass wir sie besser begleiten, um so nachhaltige Effekte erzielen zu können. Wir arbeiten daran und sind mittlerweile mit über 1000 Unternehmen und Bildungsinstitutionen vernetzt, um dieses Ziel gemeinsam umzusetzen.
Denn letztlich stehen wir alle in der Verantwortung, den MINT-Bereich attraktiver zu machen – von den Bildungsinstituten über die Unternehmen bis hin zu den Eltern und politischen Akteur:innen
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