Um bei akutem Fachkräftemangel gutes Pflegepersonal zu finden, sind auch mal unkonventionelle Wege notwendig. Drei Expert:innen berichten aus ihrem Alltag.
Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels war es noch nie einfach, qualifiziertes Pflegepersonal einzustellen: «Die Rekrutierung von Auszubildenden und Studierenden ist eine gute Möglichkeit, qualifiziertes Personal zu beschäftigen», weiss Andrea Kurmann, Leiterin Pflege Station EG im Spital Lachen (SZ). «Aber nicht nur die Rekrutierung ist anspruchsvoll, sondern auch die Mitarbeiterbindung. In diesem Bereich investieren wir einiges im Rahmen der Weiterbildungsmöglichkeiten.» Umso wichtiger ist es, als Arbeitgeber attraktive Rahmenbedingungen für die Mitarbeitenden zu schaffen. Dazu gehören im Spital Lachen Weiterbildungsmöglichkeiten wie etwa das Absolvieren eines CAS oder die Möglichkeit, ein Bachelorstudium in der Pflege durchzuführen.
Die Pflegefachpersonen sollen gezielt geschult und gefördert werden: «Durch solche Weiterbildungen wird es den Mitarbeitenden ermöglicht, Zusatzfunktionen wie Fachexpertin/Fachexperte oder Pflegeexpertin/Pflegeexperte zu übernehmen und ihre Kompetenzen am Arbeitsplatz entsprechend zu erweitern», ergänzt Stefanie Rothauge, Leitung Pflegeexpertin. «So können sie dann auch aktiv bei der Anpassung von Konzepten, Standards und Prozessen mitwirken. Weiter wird im Spital Lachen auch eine allgemeine Verbesserung der Arbeitsbedingungen angestrebt.»
Wie anspruchsvoll die Rekrutierung von Pflegefachpersonen ist, weiss auch der HR Leiter Peter Trottmann: «Wir gestalten den Bewerbungsprozess möglichst einfach und schlank. Kandidatinnen und Kandidaten sollen sich innerhalb von maximal zwei Minuten bewerben können – sogar via Smartphone. Zudem ist es entscheidend, rasch auf Bewerbungen zu reagieren. Als Arbeitgeber sind wir aufgefordert, attraktive Arbeitsmodelle anzubieten und uns auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzustellen.» Auch Headhunter haben diesen Markt schon längst entdeckt. Gerade speziell ausgebildetes Pflegepersonal, zum Beispiel mit einem NDS, wird stark gesucht und teilweise auch aktiv angeworben. Bei Temporärbüros können sich Pflegefachpersonen grundsätzlich ihre Dienste aussuchen.
Not macht erfinderisch: Nebst Anwerberprämien und einer Präsenz in den sozialen Medien sind auch Temporärmitarbeitende höchst willkommen. Auch Partnerschaften mit diversen Schulen und die aktive Teilnahme an Vorträgen und Informationsanlässen ist unabdingbar: «Auch betreiben wir ein aktives internes Employer Branding und kurbeln so die Mund-zu-Mund-Werbung an. Zudem gibt es einen Pflegepool, in dem sich Pflegefachpersonen für zusätzliche Dienste einschreiben und die geleisteten Stunden im Folgemonat direkt ausbezahlt kriegen», so Trottmann.
Die Medien schreiben immer wieder vom hohen Pflegestandard, der bald nicht mehr eingehalten werden kann. Kurmann sieht hier gerade in der aktuellen Situation eine Herausforderung: «Wir lagern schon jetzt verschiedene Aufgaben an andere Bereiche aus, damit sich die Pflege komplett auf ihr Kerngeschäft konzentrieren kann – etwa die Hotellerie oder der interne Patiententransportdienst.» Mit der Optimierung interner Abläufe gewinnt man auch Zeitressourcen für die Pflege: «Ein ideales Hilfsmittel ist etwa das japanische Kaizen-Verfahren, welches bei uns ab März dieses Jahres eingesetzt wird», so Rothauge. «Pflegefachpersonen aus allen Bereichen sollen sich so aktiv in Veränderungsprozesse einbringen können. Man muss konkurrenzfähig bleiben und mit der Zeit gehen. So versuchen wir etwa durch die Anbietung von verschiedenen Arbeitsmodellen wie dem Stundenlohn, auch flexible Arbeitszeiten zu ermöglichen.»
Im Raum Zürich haben sich viele Pflegende selbstständig gemacht, um die lukrativsten Jobs anzunehmen. Diesen Trend spürt auch das Spital Lachen: «Die Abwanderung aus dem Pflegeberuf ist durch die hohe Arbeitsbelastung im Gesundheitswesen seit einigen Jahren ein Thema», gibt Andrea Kurmann offen zu. «Pflegende machen sich selbstständig, um einerseits ihre Work-Life-Balance aufrecht zu erhalten, anderseits um mehr zu verdienen. Deshalb ist der Fachkräftemangel auch in regionalen Spitälern spürbar». Trottmann meint abschliessend: «Wir versuchen, auf die Bedürfnisse unseren Pflegefachpersonen einzugehen. Gerade mit einem Wechsel in den Pflegepool lassen sich vermehrt private Bedürfnisse abdecken, ohne gleich das Spital zu verlassen».
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